Rede von Samuel von Frommannshausen
Vor drei Wochen saßen sechs Menschen aus Waren und Umgebung beim Essen zusammen und unterhielten sich über die aktuelle Situation und die Entwicklungen in jüngster Zeit und den letzten Jahren in unserer Gesellschaft und unserer Stadt. Anlass waren die Berichte über Geheimtreffen, in denen unter anderem über Pläne von Remigration gesprochen wurden. Einige aus der Runde hatten sich gefragt, ob sie künftig Angst haben müssten, dass sie selbst abgeholt und fortgebracht werden, nur weil jemandem nicht passt, was sie denken oder sie anders aussehen als andere. Ein Zitat von Winston Churchill kam uns da in den Sinn: „Wenn es morgens um sechs an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe“. –
Wir sprachen aber auch darüber, dass die Menschen in den letzten Jahren immer weiter auseinanderdriften und verunsichert werden. Dass es zunehmend Menschen gibt, die sich nicht mehr gesehen und gehört fühlen, die persönliche Verletzungen erfahren haben, deren Würde mit Füßen getreten wurde. Ob in sozialen Medien oder auch durch Institutionen wie Kirche und Staat. Viele Menschen sind nur noch in ihrer eigenen Blase unterwegs. Sie grenzen sich ab, sind gegen die anderen, sprechen schlecht übereinander. Ganz schnell wird man in eine Schublade gesteckt. Schnell abgestempelt als rechtsextrem oder linksextrem – so wurde auch ich und andere in den letzten Tagen in den sozialen Medien als linksextrem bezeichnet. Es kann nicht sein, dass man in einer kleinen Stadt wie Waren einander nicht mehr grüßt, nur weil der andere eine andere Ansicht hat als man selbst. –
Uns wurde klar: „Wir müssen doch etwas tun“.
Uns wurde klar, dass wir uns positionieren und Haltung zeigen müssen. Dass wir die schweigende Mehrheit zum Sprechen und Aufstehen bringen wollen. Einerseits wollten wir rote Linien aufzeigen und uns klar für unsere Werte einsetzen. Andererseits wollten wir den Menschen mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen zuhören. Hinter die Fassade schauen und die eigentlichen Anliegen ergründen. Wir wollten, dass einander zugehört wird, ohne zu verurteilen. Dass wieder miteinander geredet wird und nicht übereinander. Wir wollten Gemeinsamkeiten in den Vordergrund stellen, nicht Unterschiede. Als ein gemeinsames Merkmal haben wir unser Menschsein gesehen. – Sei a Mensch!
Neben dem Bewusstsein, etwas tun zu müssen, wussten wir nur, dass wir nicht gegen etwas sein wollten, sondern für etwas.
Denn gegenetwas zu sein, ist einfach. Sich aber zu überlegen, weshalb bin ich dagegen und was möchte ich stattdessen, was wünsche ich mir von den anderen, was kann ich selbst einbringen, was ist meine Vision, wo will ich hin, das ist viel herausfordernder. Gegen etwas zu sein, bedeutet, etwas – oder jemanden – auszuschließen. Etwas wegzunehmen, füllt noch keine Lücke. Es führt eher zu Gegenwehr. Genauso wie abwertende Sprüche und Parolen eher Gegenwehr und Aggression erzeugen als zu überzeugen. Was müssen wir also dazutun? Was wünschen wir uns eigentlich? Wofür stehen wir? Das ist oft viel schwieriger, herauszuarbeiten, auszudrücken und dabei Gemeinsamkeiten zu finden. Ausschließen und nicht mehr mit dem anderen sprechen geht schnell. Menschen zu vereinen, Kompromisse zu finden, eine gemeinsame Vision zu haben, das fehlt viel zu oft. –
Daher wollen wir hier in Waren ein Zeichen setzen. Dafür haben wir den Aufruf formuliert, der heute unterzeichnet werden kann. Wir wollen ein Zeichen setzen für eine Gesellschaft, die wieder mehr zusammenhält, trotz unterschiedlicher Interessen, unterschiedlicher Hintergründe. Eine Gesellschaft, in der man wieder miteinander konstruktiv streiten kann. Wo über die Sache gestritten wird, ohne den anderen persönlich zu verletzen. Eine Gesellschaft, in der wir akzeptieren, dass es auch unterschiedliche Meinungen gibt, ja geben muss. Meinungen, die voneinander abweichen. Dass man sich trotzdem in die Augen schauen kann. Dass man trotzdem sein Gegenüber als Mensch sehen und annehmen kann. Wir wollen ein Zeichen setzen für eine Gesellschaft, in der wir uns nicht gegenseitig vorschreiben, was der andere zu tun oder zu denken hat.
In der wir auf die Vernunft jedes einzelnen setzen, die verschiedenen Argumente richtig bewerten zu können. In der wir auch Fehler machen können und dann aus diesen lernen.
Das wollen wir leben und hier in unserer Stadt beginnen. Das ist für uns Demokratie. Das sind für uns demokratische Grundwerte, die ein friedliches Zusammenleben ermöglichen. Das sind die Werte, die in unserem Grundgesetz verankert sind. Diese Werte dürfen nicht überschritten und mit den Füßen getreten werden. Die unantastbare Menschenwürde, die Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Vielfalt sowie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
Darum sind wir heute hier. Wir wollen nicht länger schweigen. Wir wollen deutlich zum Ausdruck bringen, wofür wir stehen:
Wir sind für ein respektvolles Miteinander – auch in sozialen Medien! –
Wir sind für konstruktiven, friedlichen Streit und zielführenden Austausch, damit wir gemeinsam Kompromisse finden können, die unsere Stadt und unsere Region voranbringen.
Wir sind für eine stärkere Wertschätzung von ehrenamtlich und für das Gemeinwohl engagierten Menschen, ob im Sportverein, in der Kirche, in der Stadtvertretung. Für eine stärkere Wertschätzung der Leistungsträger der Gesellschaft, dem Mittelstand, den Arbeiterinnen, den Menschen, die tagtäglich früh aufstehen, damit andere etwas zu essen haben!
Wir sind dafür einander zuzuhören. Für zuhörende Politikerinnen und Politiker!
Wir sind dafür, dass Menschen, die in Deutschland eine Heimat haben, bleiben dürfen! –
Wir sind für gelebte Demokratie!
Denn wir glauben, dass wir nur gemeinsam die Herausforderungen der vielen Veränderungsprozesse in dieser Welt bewältigen können. Der indische Pazifist und Anführer Mahatma Gandhi sagte einmal:
„Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“
Und deswegen haben wir Euch gebeten heute hierher zu kommen. Und danke, dass Ihr heute alle hier seid. Lasst uns gemeinsam anfangen. Hier in unserer Stadt und in unserer Region. Bei unseren Bekannten, im Freundeskreis, der Familie und auf Arbeit. Lasst uns anfangen einander zuzuhören, miteinander zu reden, aufeinander zuzugehen und für unsere gemeinsamen Werte einzustehen.
Miteinander reden … fängt jetzt an.
Für gemeinsame Werte einstehen …fängt jetzt an.
Zusammenhalt … fängt jetzt an.
Pause
Um zu erleben, was man gemeinsam erschaffen kann, wollen wir nun mit Euch zusammen Musik machen.
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